Wo auch immer Messerliebhaber aufeinandertreffen, entbrennt nahezu unausweichlich eine Diskussion über den ultimativen Stahl. Daß darüber immer wieder leidenschaftlich gestritten wird, ist gut und wichtig, motiviert uns, immer wieder andere Stähle zu testen und neue Messer zu bauen, macht die Sache aber nicht einfacher.
Verschiedenste Aufgaben lassen sich mit einem einzigen Messer erledigen, man denke nur an das Taschenmesser. Und es wird viele dieser Aufgaben erfüllen, die eine besser, die andere schlechter, manch eine vielleicht auch gar nicht. Wir gehen einen Kompromiss ein, verzichten zugunsten der universellen Verwendbarkeit auf maximale Leistung in vielen Nutzungsfeldern.
Es leuchtet uns ein, daß die Klinge, mit der ich zur Not die Büchse öffne, nicht so gestaltet sein kann, daß sie allein vermöge ihres Eigengewichtes durch die Tomate gleitet. Damit sind wir oftmals zufrieden, manchmal aber eben nicht.
Deshalb produzieren wir Messer, die für einen bestimmten Anwendungsbereich optimiert werden. Damit werden die Randbedingungen zur Form und Größe der Klinge, zur erforderlichen Schneidengeometrie, zu Härte und Zähigkeit und anderen Parametern festgelegt. Damit schränken wir den sinnvollen Nutzungsbereich des Messers ein. Das superscharfe Gemüsemesser ist beim Überlebenstraining wahrscheinlich hilfreich, aber absolut fehl am Platz und danach ruiniert. Jedem Spezialmesser wohnt also auch eine gewisse Universalität inne, oder anders herum: Universalität ist auch nur eine Art der Spezialisierung aufs Allgemeine. Die Spezialisierung fordert ihren Preis, denn zumeist birgt die Verbesserung einer Eigenschaft die Verschlechterung einer anderen in sich; die Natur läßt sich nicht überlisten.
Es gibt nicht ohne Grund mehrere tausend Stahlsorten, wobei die für Messerklingen geeigneten auf eine kleine Auswahl beschränkt sind. Als Benutzer tritt man einem Messer mit vielen Erwartungen und Ansprüchen gegenüber. In erster Linie soll es seinen Zweck in seinem Anwendungsbereich optimal erfüllen, ob nun als Gemüse-, Jagd- oder Haumesser. Als sei das nicht schwierig genug, soll es den persönlichen Vorlieben entsprechen, das Messer soll beispielsweise spülmaschinenfest, superscharf und schnitthaltig, zäh und schlagfest oder gut schärfbar sein. Oder kurz: es soll schneiden und schneiden und schneiden, und gut aussehen soll es auch immer.
Der Weg zum richtigen Stahl orientiert sich an all diesen Anforderungen und die Qualität der Klinge hängt letztendlich nicht nur vom Stahl und seiner Verarbeitung, sondern von vielen anderen Faktoren ab. Zur Auswahl stehen:
⋄ unlegierte Werkzeugstähle (die sogenannten Kohlenstoff- oder Karbonstähle), die außer Eisen und Kohlenstoff keine oder nur sehr geringe Mengen anderer Elemente enthalten,
⋄ legierte Werkzeugstähle, Wälzlager- und Federstähle, denen zur Erzielung spezieller Eigenschaften Legierungselemente, wie Mangan, Wolfram, Nickel, Chrom, Molybdän oder Vanadium zugesetzt werden,
⋄ rostfreie Werkzeugstähle mit mindestens 10,5% Chrom und anderen Zutaten.
Unlegierte und niedriglegierte Stähle sind nicht sehr korrosionsbeständig. Trotzdem eignen sie sich für Messerklingen und neigen nicht zwangsläufig zum Rosten, wenn einige Regeln bedacht werden. Eine hochglanzpolierte Oberfläche bietet wenig Angriffsmöglichkeiten, und ein Mindestmaß an Pflege (sofort nach Gebrauch abspülen und trockenwischen) vermindert die Korrosion.
Rostfreie Stähle sind nicht rostfrei, sondern nur rostträge. Auch sie neigen unter aggressiven Bedingungen (z.B. Salzwasser und Fischblut) zum Rosten, aber in viel geringerem Maße. Die Korrosionsbeständigkeit wird erkauft durch ein gröberes Gefüge. Im Vergleich zu Kohlenstoffstahl oder niedriglegierten Stählen sind wir nicht in der Lage, extrem feine Schneiden auszuschleifen.
Den ultimativen Messerstahl gibt es nicht! Es gibt aber für jeden Anwendungszweck, für jede Klingengeometrie, Stähle, die besonders dafür geeignet sind.
Als Messermacher weiß man um diese Eignung und wird den optimalen Stahl auswählen.
Dr. Michael Ganz
Wernigeröder Str. 7
39118 Magdeburg
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